Jürgen Pan Balitzk Letztlich waren es die Beziehungen meiner Mutter, die mich zur Journaille und nicht zur Malerei getrieben haben. Wenn ich meine Bilder so richtig betrachte, muss ich ihr dankbar sein. Zuvor hatte mich an der Pankower Erweiterten Oberschule "Friedrich List" mein Kunstlehrer entdeckt, als ich in den naturwissenschaftlichen Fächern jede Menge Vieren hatte. Mein erstes Bild war ein politisches: Als die Roten Garden durch China tobten, malte ich eine brennende Pagode (jedenfalls ein chinesisch aussehendes Haus). Neben einer Leiche stak eine rote Fahne. Mein Lehrer war stark beeindruckt.
Das zweite Bild war ein Porträt meiner superblonden Potsdamer Freundin Monika. Ich habe es nach meinem damaligen Lieblingssong von den Rolling Stones "Dandelion" getauft. Beide sind verschwunden.
Ich glaube, mein Bruder hat mein mutiges Protestbild bei einem Umzug weggeschmissen (Hat es einer gefunden? Bitte melden!).
Jedenfalls verdanke ich meinem Kunstlehrer eine Abi-Beurteilung, die quasi mit einer Fahrkarte zur Kunsthochschule nach Weißensee gleichzusetzen war. Und jetzt kommt die Wende: Weil zu dem Zeitpunkt nur Leute mit steinmetzerischen Fähigkeiten aufgenommen wurden, begann ich eben eine Volontariatsausbildung und landete letztlich beim Rundfunk. Damit hatte ich mein erstes Hobby, die Musik, zum Beruf gemacht. Und das war gut so. Immer aber, wenn mir danach war, wenn ich also große Lust dazu hatte (und wirklich nur dann), holte ich die Farben hinterm Vorhang vor. Meistens malte ich Häuser, und das ist auch so geblieben. Sie sind wahrscheinlich das einzige Sujet, bei dem niemals der Betrachter blöde nach Ähnlichkeit mit dem Objekt fragt. Selbst wenn ich mich stark bemühe, abstraktere Sachen zustande zu bringen, kommt am Ende falls es sich nicht um eine Parodie handelt doch immer was Figürliches raus. Das sind nun mal die Nachwirkungen des sozialistischen Realismus (Freiheit für Willi Sitte übrigens!).
Immerhin: auch innerhalb der Haus-Szene gibt's gewisse Möglichkeiten! Jürgen Pan Balitzki ist Journalist. Als Musikredakteur ist er mit der nationalen und internationalen Rock-Musik-Szene verwoben. Diese Art Klangfarben sind ihm vertraut. Grooves von Zappa, Nirvana, wem auch immer, erkennt er nach Sekunden, benennt Album, A ober B Seite (bei Vinyl), Titel, Entstehungsjahr, Label, Erstaufführungsort, namentliche und instrumentale Besetzung der Bands.
Diese rockmusikalische Hörfähigkeit und Präzision faszinieren mich. Eine andere Fähigkeit Balitzkis, die meinen eigenen Sachkenntnissen entspricht, fasziniert und überrascht mich. Es ist die bildkünstlerische Gestaltung, das Malen. Für Balitzki ist sie Ausgleich, Pendant zum Job, zum Alltag. Die Malerei ist seine Ausdrucksweise erlebter und gelebter Emotionen, sie widerspiegelt seine Seherlebnisse der alltäglichen Umwelt, die da sind vertraute Landschaften, Gegenden und Gegenstände. Das sind auch die Sujets der Exposition in der "Galerie à la cARTe". Die Zusammenschau vereint Landschaften und Stillleben. Der Betrachter sieht heimische und Urlaubsgegenden, wie Ungarn oder Venezuela; Häuser, Giebel, Brücken, Fensterbilder, Küchenstillleben. So kontrast-reich wie die geographischen Gebiete sind auch die Farben. Die Malweise ist tradiert, der Farbauftrag pastos. Die Farbwahl reicht von feinabgestufter, polychromer Tonigkeit, wie in "Silvester 2000" bis hin zum monochromen Bild "Mann mit Regenschirm". Hier korrespondiert Indigoblau mit Weiß und wenigen roten Punkten als Akzentuierung. Das Oevre des Autodidakten Balitzki umfasst mehr als 100 Bilder, dazu kommen grafische Arbeiten, Tusch-, Bleistift-, Kugelschreiber-zeichnungen. Letztere wurden in der Ausstellung ausgespart . Schauen und lauschen Sie den Farbklängen und Klangfarben, sehen und hören Sie die Geschichten, die die Bilder im "Haus der Begegnung" erzählen.
Doris Hoppe, März 2001